Studio One: Der supergrüne Coworkingspace in NRW

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© dasMinisterium.com

Superlative finden sich keine auf der Webseite des neuen Coworkingspaces in der Stadt mit Schwebebahn. Dann muss ich das wohl machen: Denn vielleicht ist das Studio One der nachhaltigste, und wenn die Fassade wächst, definitiv der grünste Space Deutschlands. Wie grün? Supergrün.

Ich bin zu früh, als ich am Nachmittag des 19. Februar auf den Wuppertaler Neumarkt komme. Mir gegenüber steht das alte Rathaus, ein prächtiger Bau im Stile des Eklektizismus. Einst eingeweiht von Kaiser Wilhelm II, zusammen mit der Schwebebahn und der Ruhmeshalle. Mehr Wuppertal geht also kaum. Zu meiner Linken liegt ein deutlich heruntergekommener Betonbau aus der Nachkriegsmoderne. Noch kein Brutalismus. Aber mit seinen starken horizontalen Linien ein brutaler Kontrast. Bald soll das besser werden, verspricht schon mal die Webseite des Studio One. Die neue Fassade des jetzt ehemaligen Commerzbank-Gebäudes ist da schon so zu sehen, wie sie einmal aussehen soll: Wie die hängenden Gärten des Semiramis (Wikipedia ). Erstaunlich, was über 120 Pflanzenkübel bewerkstelligen können. Die Ressonanz auf die Entwürfe sind durchweg positiv in der Stadtgesellschaft.

Um zur Einweihung das Band durchzuschneiden, kommt heute kein Kaiser. Dafür der noch amtierende Oberbürgermeister der bergischen Großstadt Uwe Schneidewindt (Bündnis 90/Die Grünen), der nicht nur viele gute Worte zum Coworkingspace mitgebracht hat, sondern auch ein strahlendes Lächeln. Die Eröffnung gehört zu den letzten Taten in seiner Amtszeit und als Grüner sicherlich zu den erbaulicheren Aktivitäten, der nach dem zerbrechen der Koalition nicht wieder antreten wird. Die Eröffnungsfeier ist trotz der CI keine Parteiveranstaltung.

Luftballons werden aufgeblasen, die Anlage und die Mikros getestet, der Kuchen und das Catering geliefert. Ich sitze schon an einer der Theken an den riesigen Fenstern mit der tollen Aussicht auf den Neumarkt und genieße die Atmosphäre. Geschäftiges Treiben. Auf der Terasse arbeiten noch Handwerker. Bis zur letzten Minute wird hier gearbeitet. Aus gutem Grund: In Rekordzeit wurde diese Etage entkernt, neu aufgeteilt und schließlich ausgebaut. Dafür verantwortlich sind vor allem vier Männer: Robert Düssel und Ulrich Volmer bringen das Gebäude mit. Sie haben das Gebäude vor einigen Jahren gekauft. Florian Kops, Gründer der Agentur „dasMinisterium.com“ und „Mr. Coworking-Wuppertal“ Wolf-Nicolas Henkels sind die Köpfe des neuen Spaces. Wolf-Niklas baute das Codeks auf und ist quasi eine Coworking-Legende.

Gut zwei Monate nach der Eröffnung führe ich mit Wolf-Nicolas ein schriftliches Interview über den aktuellen Stand von Studio One.


Droid Boy: Am 19. Februar fand die offizielle Eröffnungsfeier statt. Was hat sich seitdem getan? Wie wurde das Studio One in Wuppertal aufgenommen?

Wolf-Nicolas Henkels: Die Eröffnung am Neumarkt war für uns ein echter Meilenstein – und seither hat sich richtig viel getan. Die Resonanz war von Anfang an groß, und man spürt, dass das Bedürfnis nach wohnortnahen, flexiblen Arbeitsplätzen enorm gestiegen ist. Besonders spannend ist für uns, wie unterschiedlich die Menschen sind, die das Studio One nutzen: Selbstständige, kleine Teams, aber auch Angestellte, deren Firmen das Coworking bezuschussen – sei es für ein Homeoffice-Upgrade oder als Raum für Meetings.

Und: Viele schauen sich das Studio zwar erst einmal unverbindlich an – viele buchen dann aber direkt eines der Angebote. Das zeigt uns, dass das Konzept greift. Inzwischen sind auch schon einige Ressourcen ausgebucht, zum Beispiel die ganzen Solo Offices.

Droid Boy: Was hat das Studio One in Wuppertal heute zu bieten?

Wolf-Nicolas Henkels: Wir bieten rund 1.000 Quadratmeter Coworking-Fläche mit 70 Arbeitsplätzen, davon 45 in separaten Offices, 8 Meetingräumen in 3 Größen sowie den Gemeinschaftsbereichen wie Küche und Lounge. Zukünftig ergänzt durch eine große Eventfläche auf dem Dach. Alles im Herzen von Wuppertal-Elberfeld – direkt gegenüber dem historischen Rathaus.

Aber Studio One ist mehr als nur Fläche: Es ist ein Ort für Begegnung, Austausch und Inspiration. Es finden dazu regelmäßig Community Events, Netzwerktreffen und Workshops statt. Viele unserer Nutzer:innen schätzen dabei den „Serendipity-Effekt“ – also dass zufällig im Gespräch z.B. an der Kaffeemaschine neue Ideen oder Kooperationen entstehen.

Das neue Eventformat BrainBites wird am 8. Mai starten und bietet neben der Möglichkeit spannende Menschen kennenzulernen auch immer einen spannenden Wissens-Impuls. Den Angang macht Tina Kiskalt mit dem Titel „Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein – Jein!“ Ein kostenfreier Impuls-Workshop über Entscheidungen, Bauchgeflüster – und das, was dazwischen liegt (Studio One Events ).

Das Studio One während des Umbaus. © dasMinisterium.com

Droid Boy: Welches Konzept verfolgt ihr mit dem Coworking One?

Wolf-Nicolas Henkels: Unser Ansatz ist bewusst ganzheitlich: Wir schaffen Räume, die nicht nur funktional, sondern auch inspirierend sind – mit viel Licht, guter Atmosphäre und Nachhaltigkeit als Grundprinzip. Dabei geht es uns um mehr als nur Arbeitsplätze: Wir möchten ein lebendiges Netzwerk entstehen lassen, in dem Menschen voneinander lernen, sich gegenseitig stärken und gemeinsam wachsen. Die gute Lage am Neumarkt spielt uns dabei in die Karten: Gastro, Shopping, Fitnessstudio, ÖPNV – alles fußläufig.

Der Name Studio One ist dabei Programm – und eine bewusste Anspielung auf Kreativität, Kollaboration und kulturellen Kontext. Zum einen steht „Studio“ für einen Ort des Schaffens: wie ein Tonstudio, in dem Menschen gemeinsam etwas Neues entstehen lassen – mit Ideen, Visionen, manchmal auch improvisiert, aber immer mit Leidenschaft. Der Zusatz „One“ verweist zusätzlich auf unsere Haltung: One Place. One Purpose. One Community.

Gleichzeitig steckt im Namen auch ein musikalischer Verweis: „Studio One“ war ein legendäres Tonstudio und Label in Jamaika – Geburtsort großer Reggae-Klassiker, ein Ort der kreativen Energie und Vielfalt. Genau diese Haltung inspiriert uns: Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenzubringen und daraus etwas entstehen zu lassen, das größer ist als die Summe seiner Teile.

Kurz gesagt: Coworking ist für uns mehr als nur Infrastruktur. Es ist wie eine gute Session – spontan, verbunden, produktiv. Und manchmal entsteht dabei sogar etwas Unerwartetes, etwas Neues. Genau dafür ist das Studio One da.

Droid Boy: Heißt das, wenn ich bei euch coworke, habe ich einen besonders kleinen CO2-Fußabdruck?

Wolf-Nicolas Henkels: Ja – wer bei uns arbeitet, tut tatsächlich auch etwas fürs Klima. Denn Coworking bei Studio One bedeutet: weniger Pendeln, geteilte Ressourcen und ein bewusst nachhaltiges Umfeld. Menschen, die wohnortnah arbeiten, sparen Zeit und CO₂ – und genau dafür schaffen wir die passenden Bedingungen.

Aber unser Anspruch geht noch weiter. Beim Umbau haben wir auf möglichst viele wiederverwendete Materialien gesetzt – zum Beispiel stammt die Marmorplatte unserer Kücheninsel ursprünglich aus einer alten Eisdiele, die Lampen aus einer Uni-Bibliothek in Dortmund, und ein Großteil des Holzes war vorher Teil eines Mustermarkts. Alles wurde so verarbeitet, dass es auch nach unserer Nutzung wiederverwertet werden kann – im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips.

Viele unserer Möbel sind Second-Hand, unsere Sitzschalen bestehen aus recycelten PET-Flaschen, und generell achten wir auf langlebige, ressourcenschonende Ausstattung. Dazu kommen Dachterrassen, die biodivers begrünt werden – also echte Lebensräume für Insekten und Pflanzen – und schon bald wird eine Photovoltaikanlage auf dem Dach unseren Energiehaushalt noch klimafreundlicher machen.

Nachhaltigkeit ist für uns kein Extra, sondern Teil unseres Konzepts. Wer im Studio One arbeitet, ist also nicht nur Teil einer Community, sondern auch Teil eines zukunftsfähigen Umgangs mit Stadt, Raum und Ressourcen.

Außerdem arbeiten wir größtenteils mit lokalen Partnern, nutzen Systeme wie ReBowl und ReCup zur Müllvermeidung und als Mitglied des globalen Netzwerks „1% for the Planet“ geben wir 1% unseres Umsatzes ab, um Projekte zu unterstützen, die unseren Planeten schützen und eine lebenswerte Zukunft gestalten.

Droid Boy: Bevor es zur Eröffnung des Studio One kam, musste erst noch einiges passieren. Zum Beispiel musste jemand die Idee dazu haben. Was ist die Gründungsgeschichte des Studio One?

Wolf-Nicolas Henkels: Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit neuen Arbeitswelten und habe verschiedene Coworking-Projekte mitgestaltet – darunter auch das codeks, Wuppertals erstes großes Coworking-Angebot. Aus dieser Erfahrung heraus entstand der Wunsch, ein eigenes Projekt zu realisieren, das all das zusammenfasst, was mir an moderner Arbeitskultur wichtig ist: Offenheit, Nachhaltigkeit, Gemeinschaft und ein klarer Bezug zum Standort.

Als sich die Gelegenheit ergab, das bekannte Gebäude direkt am Neumarkt zu entwickeln, war mir schnell klar: Hier kann ein Ort entstehen, der wirklich etwas bewegt – nicht nur für Einzelne, sondern für die Stadt als Ganzes.

Entscheidend war dabei auch die Unterstützung, die ich für diese Vision erhalten habe. Im letzten Jahr habe ich mit Robert Düssel, Ulrich Volmer und Florian Kops drei Partner und Investoren gefunden, die nicht nur an die Idee geglaubt haben, sondern mich von Anfang an tatkräftig bei der Umsetzung unterstützt haben. Ohne ihr Vertrauen, ihre Expertise und ihr Engagement wäre das Studio One in dieser Form nicht möglich gewesen.

So ist aus einer Idee ein Ort geworden – für neue Arbeit, für Austausch, für die Zukunft.

Droid Boy: Dazu gehört ein außergewöhnliches Gebäude direkt gegenüber des historischen Rathauses in Wuppertal. Wie ging der Umbau vonstatten und wie habt ihr euer Konzept dabei umgesetzt?

Wolf-Nicolas Henkels: Der Umbau war – im besten Sinne – ein Abenteuer. Unser Ziel war es, einem über Jahre leerstehenden Verwaltungsgebäude neues Leben einzuhauchen und dabei den Charakter des Hauses zu bewahren. Gleichzeitig wollten wir moderne Standards setzen – in puncto Nachhaltigkeit, Technik und Aufenthaltsqualität.

Ein zentraler Aspekt war die energetische Sanierung: Das Gebäude wurde umfassend modernisiert – mit neuen Fenstern, Fußbodenheizung in großen Teilen, einer komplett neuen Aufzugsanlage, effizienten Lüftungssystemen für innenliegende Büros und Meetingräume, sowie einem leistungsfähigen Gigabit-Datennetzwerk und WiFi 7 für schnelle und stabile Verbindungen.

Ein solches Projekt in nur rund sechs Monaten umzusetzen, war eine enorme Herausforderung – die nur möglich war, weil alle Gewerke perfekt Hand in Hand gearbeitet haben. Die Koordination, das Timing und das Engagement aller Beteiligten waren außergewöhnlich.

Droid Boy: Welche Rolle soll mal die 5. Etage des Gebäudes spielen? Wofür nutzt ihr die Etage schon?

Wolf-Nicolas Henkels: Die fünfte Etage ist für uns ein ganz besonderes Kapitel – sie steht symbolisch für das, was Studio One langfristig ausmachen soll: Innovation, Weitblick und die Verbindung von Stadt, Gemeinschaft und neuen Formen der Nutzung.

Aktuell ist die Etage noch nicht in Betrieb, aber voraussichtlich Anfang 2026 möchten wir sie eröffnen – nicht als klassische Bürofläche, sondern als multifunktionalen Raum für Events, Workshops, Konferenzen, Kurse oder auch mal eine Party.

Geplant ist ein Ort, der sich flexibel anpassen lässt – mit Blick über die Stadt, viel Licht und eine Atmosphäre, die inspiriert und verbindet. Ergänzt wird das Ganze durch eine biodivers begrünte Dachterrasse, die nicht nur Aufenthaltsqualität bietet, sondern auch ein Statement für nachhaltiges Bauen und Stadtgrün setzt.

Droid Boy: Was muss im Studio One noch passieren? Hat die grüne Fassade, wie man sie auf eurer Webseite schon bestaunen kann, bereits begonnen zu wachsen?

Wolf-Nicolas Henkels: Die grüne Fassade ist in der Umsetzung – erste Schritte sind gemacht, und im Laufe des Jahres wird man deutlich sehen, wie die Pflanzen das Haus mit Leben füllen.

Droid Boy: Inwiefern kooperiert ihr mit anderen Spaces, Einrichtungen und Institutionen? Inwiefern waren Kooperation mit der Stadt bereits wichtig?

Wolf-Nicolas Henkels: Kooperation ist für uns ein zentraler Bestandteil unseres Selbstverständnisses. Wir sind gut vernetzt – sowohl lokal als auch überregional – und glauben an die Stärke eines funktionierenden Ökosystems aus unterschiedlichen Angeboten. Mit dem Codeks teilen wir uns eine ähnliche Zielgruppe, während Einrichtungen wie das W-tec oder Utopiastadt andere Schwerpunkte setzen. Diese Vielfalt schafft Entwicklungspfade: So kann jemand als Gründer:in im W-tec starten, dann weiter wachsen – und später etwa unsere Meetingräume oder Eventflächen nutzen.

Auch mit der Stadt Wuppertal und der Wirtschaftsförderung stehen wir in engem Austausch, insbesondere wenn es darum geht, Gründer:innen und Unternehmen für den Standort zu gewinnen. Darüber hinaus kooperieren wir mit der FAB Region Bergisch Land, um wissenschaftlich zu untersuchen, welche positiven Effekte die Fassaden- und Dachbegrünung auf Mikroklima, Biodiversität und Stadtbild hat.

Solche Partnerschaften stärken nicht nur uns als Space, sondern tragen zur nachhaltigen Entwicklung der gesamten Region bei.

Droid Boy: Du warst auch schon vorher in der Coworking-Branche unterwegs, unter anderem bei Worqs. Was hat dich veranlasst Worqs zu verlassen?

Wolf-Nicolas Henkels: Ich hatte mit WORQS eine Partnerschaft, die zu einem natürlichen Ende kam. Gleichzeitig wurde in mir der Wunsch immer stärker, ein eigenes Projekt ganz nach meiner Vision zu realisieren – mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit, Stadtkultur und echter Community.

Droid Boy: Wie würdest du ganz generell die Entwicklung der deutschen Coworkingbranche in den letzten 10 Jahren beurteilen? Was hat sich verändert?

Wolf-Nicolas Henkels: Coworking hat sich von der Nische zur ernstzunehmenden Alternative entwickelt – aber wir sind noch nicht am Ziel. Die Pandemie hat zwar eine kurze Delle verursacht, insbesondere bei Meetingräumen, aber inzwischen hat sich der Markt erholt.

Man schätzt aktuell 1.200 bis 1.500 Spaces in Deutschland – mit Berlin als Hotspot. Weltweit arbeiten mittlerweile über 5 Millionen Menschen in mehr als 40.000 Spaces.
Coworking wird sich weiter ausdifferenzieren – von der Großstadt bis aufs Land, wo Spaces auch soziale Treffpunkte sein können. Entscheidend ist immer: Was braucht die Community vor Ort?

Droid Boy: Lieber Wolf, vielen Dank für das Interview!

Wolf-Nicolas Henkels: Danke dir – hat Spaß gemacht!

Weiterführende Artikel: Studio One (Webseite), „Signal gegen vermeintliches Innenstadt-Trauerspiel“ (Wuppertaler Rundschau)

Fotos: Sofern nicht anders angegeben, sind die Bilder von mir. Sie wurden während des Eröffnungsevents am 19. Februar geschossen. Lizenz: CC BY SA

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