Ist das noch Zeit Online oder schon die Webseite von Rolex? Das fragte ich mich neulich als ich die von mir eigentlich sehr geschätze Seite besuchte. Es ist ein Symptom eines kranken Systems. Die Aktion großer Blätter, die auf die Nutzung von Adblocker hinwiesen hatte vor wenigen Wochen die genau Gegenteilige Wirkung: Es wurden noch mehr installiert.
Die Diskussion, die jetzt um das von Sascha Pallenberg hervorgerufene Skandälchen um eben diesen Adblocker Plus erzeugt wurde, hat meine anfängliche Vermutung weiter bestätigt: Die Werbung im Internet ist kaputt. Ich erkläre warum.
Es gibt sowohl technische als auch inhaltliche Gründe, warum das so ist.
Datenungleichgewicht und das Sicherheitsrisiko
Es ist absurd, das beim Laden einer Webseite der größte Anteil der Daten die Werbung ist. Es werden Scripte geladen, ganze Plugins aktiviert, Dateien abgelegt. Der Inhalt, eigentlich nur Text und zwei Bilder würde 30kb groß sein, aber die Werbung bläst es auf hunderte von kb auf. Dazu kommt das Sicherheitsrisiko, das der Webseitenbesucher damit eingeht. Scripte und Plugins haben Sicherheitslücken. Hacker haben leichtes Spiel das auszunutzen.
Habt ihr schonmal versucht Spiegel Online mobil aufzurufen während ihr nur Edge in der U-Bahn hattet? Die Werbung wird zuerst geladen, könnte also dauern. Übrigens kein Wunder also, das Google RSS nicht mehr so gut findet.
Lächerliche Klickzahlen
Es ist absurd mit welchen Klickzahlen gerechnet wird. 0,2% Klicks auf einen Werbebanner sollen eine gute Quote sein. Ich bin mir sicher, dass das diejenigen waren, die aus Versehen auf einen Werbebanner klickten, weil sie einen selektierten Text abselektieren wollten, oder weil die Werbung den Inhalt überlappte, usw. Ging es nicht darum, das Werbung gezielt für den Nutzer geschaltet wird? Sollte Werbung nicht besonders effektiv im Internet sein? Ich behaupte: Internetwerbung, so wie wir sie aktuell erleben, ist das ineffektivste was man überhaupt machen kann.
Der einzige Vorteil besteht darin, das man praktisch mit jeder Summe Werbung schalten kann. Bei den klassischen Medien, Zeitung, Radio, TV ist es gleich recht teuer einzusteigen. Aber dann muss man ehrlich sagen: Das wird wenigstens wahrgenommen. Also wirklich wahrgenommen. Die Reichweite ist eine vorgegaukelte: Die einzelne Anzeige ist schon längst nichts mehr wert.
Das merkt man auch am ständig sinkenden TKP Preis. Man muss immer mehr Besucher haben, um überhaupt eine einigermaßen relevante Einnahmequelle zu haben.
Informationsungleichgewicht
Es ist absurd und inhaltlich absolut untragbar, wenn der Inhalt nicht gesehen wird, weil die Werbung so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es blinkt, es blitzt und bisweilen sind es Videos, die automatisch abspielen, nerven und unfassbar viel Zeit und Ressourcen verschwenden. Der eigentliche Artikel versinkt in einem Meer aus Banner. Die komplette Seite wird in die Werbung getaucht. Ich habe es neulich in einem Tweet so zusammenfasst:
In den Lufthansa Werbefilm ist heute die Webseite von Zeit Online eingebettet.
— Droid Boy (@boydroid) June 27, 2013
Es ist für den Sender eigentlich untragbar, wenn seine Botschaft sich nicht gegen die Werbung durchsetzen kann. Das Ergebnis seiner Arbeit wird zunichte gemacht. Er muss sich aber der Werbung bedienen, weil er weiter senden will. Ein schizophrenes Verhältnis. Zum Verrücktwerden!
Adblocker sind doof
Ich finde Adblocker doof. Klar ist warum: Ich würde gerne mit meinen Inhalten im Internet Geld verdienen, zumindest davon leben können. Aber, und das will ich hier ganz klar sagen, ich kann es absolut verstehen warum Adblocker benutzt werden.
Die Werbung im Internet ist kaputt!
Man muss sogar jedem Benutzer raten sich einen Adblocker zu installieren. Aus technischen, sicherheitstechnischen und inhaltlichen Gründen.
Im Diktat des Monopolisten
Google diktiert wie Werbung im Netz funktioniert. Seit Jahren schon, und die Agenturen spuren brav. Wer es nicht schafft da mitzuspielen fällt unten durch und muss schauen, das er durch massives Werbungschalten, Partnerprogramme oder gekaufte Artikel an sein Geld kommt. Die Tricks sind so vielfältig und so schäbig wie die sie überlappende Werbung. Vielleicht hat die Werbung einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, einen Giganten zu füttern, eine ganze Industrie aufzuziehen. Ich finde aber, es wird Zeit für ein neues Google, das in einer Garage den nächsten Schritt entwickelt. (Let’s go Deutsche Startup-Szene!)
Eine Revolution im Kleinen
Solange es also kein neues Google gibt (vielleicht niemals), das uns ein wieder funktionierendes Werbesystem präsentiert (auf jedenfall ein anderes oder aber zumindest sich eine andere relevante Methode etabliert Inhalte zu monetarisieren), bleibt uns nichts anderes übrig, als entweder einen Adblocker zu installieren, zu flattern und anderen alternativen Finanzierungsmodellen wie Crowdfunding unser Geld zu geben. Ob das für die breite Masse Sinn macht, bleibt zu bezweifeln. Vielleicht muss es das auch nicht.
Wie es für Blogs und Webseiten mit einer spitzen Zielgruppe laufen könnte, zeigt zum Beispiel das Blog von Richard Gutjahr, das nur einen einzigen Sponsor hat. Da steckt viel Idealismus dahinter, aber eigentlich auch nicht. Der einzige Werbepartner eines erfolgreichen Blogs zu sein bedeutet auch, alle Blicke zu ernten und stets anwesend zu sein. Allein das positive Image ist so viel mehr wert als alles TKP und Geklicke dieser Welt.
Auf lange Frist brauchen wir ein neues System und müssen schauen was uns ambitionierte, idealistische Projekte vormachen. Kurzfristig bleibt uns nur der Adblocker und das Klicken auf Flattr-Buttons und die Unterstützung von Crowdfunding-Aktionen.
Werbung ist per se nicht das Problem. Aber die Qualität muss sich radikal verbessern sowohl inhaltlich als auch technisch.
Pingback: Zwischen Pragmatismus und Hilferuf : Droid Boy