Es begann mit einem Bixschlag und endete mit einer Abrisskugel. Der flippige Einhornbesteiger und Bewegtbildquerulant Adrian Richter, der 2014 angetreten war dem bröckelnden Beton der Kölner MMC Studios einen regenbogenfarbenen Anstrich zu verpassen und frischen Einhornpups in die Studios in Ossendorf fahren zu lassen, hat heute seine letzten Tag bei MMC gehabt. Der letzte Einhornritt ist absolviert. Mit diesem Beitrag ziehe ich meinen Hut.
Er verabschiedet sich mit einem letzten Ritt. Auf dem Wrecking Ball, der Abrisskugel: Denn während der Mann gerade noch mal mit dem Besen durch die Unicorn Studios fegt, wird schon das Interieur herausgetragen. Die Unicorn-Studios, die letzte Hoffnung eines Sterns eines der Vorzeige-Studios Deutschlands, findet hiermit ihr unspektakuläres Ende.
Über WhatsApp teilt Adrian mit: „Mega Tag gehabt. Jetzt endlich Bier und Abschied.“
Er reitet aber auch auf einem Einhorn davon. Denn was der 25-jährige Fernsehsuchti Adrian die letzten dreieinhalb Jahre geleistet hat, haben manche in ihrer gesamten YouTuber-Karriere nicht auf die Internetkette gebracht. Da kann sich so mancher Filmstudent einen Streifen von abschneiden.
Wie es begann
Es gilt diese zweieinhalb Jahren mit einer etwas ausführlicheren Erklärung einzuleiten. All zu oft werden die Spieler auf dem Medien-Spielbrett in NRW belächelt (Im Falle des Medienforum vielleicht sogar zurecht). Hier zeigte sich aber im Zusammenspiel, was entstehen kann, wenn man die Leute mal machen lässt. Wobei, hat man sie hier ja nur anfänglich. Aber ich greife vor.
Die Geschichte beginnt mit dem 2. Bewegtbild-Stammtisch, organisiert vom Team des Mediencluster NRW (heute: Mediennetzwerk NRW), von dem ich ein Bestandteil war. Auf der Gästeliste stehen: Christoph Krachten, damals noch Chef des MCNs Mediakraft, und Friedhelm Bixschlag, damals noch Geschäftsführer der MMC-Studios. Ziel der Veranstaltung: die klassischen Filmproduzenten mit den jungen Bewegtbildkreatoren auf YouTube und Co zusammen zu bringen. Das Event fand in Kooperation mit der Webvideo-Academy statt. Damals war das noch nicht dieses aufgeblasene, aufgekaufte Fernsehpreis-Imitat, sondern noch lustiges, charmantes Bewegtbild-Pimmeln auf kleiner Bühne.
Twitter: #beSta2
Friedhelm Bixschlag stellte in seinem Vortrag die MMC Studios vor, dessen Hauptattribut riesige Studios sind, in denen die größten Shows produziert werden. Doch Bixschlag weiß: Der Zyklus neigt sich dem Ende zu. Immer weniger große Shows werden produziert, was sich natürlich auf die Kasse des Kölner Filmstudios auswirke. Die Zeiten des „Betons“, wie er es nennt, der großen Studio-Shows, seien vorbei. Die Showtreppe habe sich überholt.
Für den Fernseh-Fetischisten Adrian, dessen Vorbild Thomas Gottschalk ist, ein klarer Fall: Man müsse die Showtreppe eben ins Internet bringen. #Showtreppe wird an diesem Abend zum Meme.
Die #showtreppe von @adrianrichter wird beim #besta2 zum Meme.
— Christian Dingler (@dingler_g4) 12. Februar 2014
Bixschlag greift zu
Was bleibt ist nicht nur das Meme, sondern auch ein Eindruck bei Friedhelm Bixschlag, der Adrian seine Visitenkarte gibt und ihm anbietet, sich bei ihm zu melden, wenn er eine Idee hat. Adrian meldet sich, und hat erst mal einen Titel für seine Bachelorarbeit dabei: „Konzeption eines Creative Space für erfolgreiches Fernsehen der Zukunft“.
Bixschlag greift zu und Adrian beginnt im Oktober 2014 nach abgeschlossener Bachelorarbeit bei MMC den Creative Space in die Tat umzusetzen. Die Unicorn Studios, wie der Space einmal heißen soll, bekommen Budget und Freiheiten. Die MMC-Schreiner rücken an und bauen in die Etage, die Adrian auf dem MMC Gelände in Köln zur Verfügung gestellt bekommen hat, einen multifunktionalen Space. Zwei Studios, einen Open Space, Küche, Produktionsräume, Bad, Klos, schnelles Internet, Computer. Wie gesagt, Beton – und das meint hier auch Material – hat MMC genug. Der damals 23-jährige Adrian Richter, frischer Absolvent des Studiengangs Mediendesign an der Rheinischen Fachhochschule in Köln, hat grüne Wiese vor sich, fast unbeschränkte Möglichkeiten.
Da geschieht das Undenkbare.
Bixschlag verlässt MMC. Die Tage der klassischen linearen TV Shows könnten gezählt sein und er versuchte weitere Geschäftsfelder zu entwickeln, in dem er die MMC Studios mit den Unicorn-Studios als Content- und Format-Entwickler erweitern wollte. Vom Betonanbieter zum Producer. Doch seine Initiative kam zu spät.
Bixschlag, der erst vor kurzem durch die Veräußerung an die DUBAG selbst zum Geschäftsführer der MMC Studios ernannt wurde, kann (oder will) dem Druck der Gesellschafter nicht standhalten. Philip Borbély, von der DUBAG zur Verstärkung ins Unternehmen geholt, führt fortan alleine die Geschäfte und lehrt Adrian: Du kostest Geld.
Doch was macht Adrian? Er tut das, was er am Besten kann. Er stürzt sich in Projekte. Vom ursprünglichen Projekt einen Creative Space zu eröffnen ist bald schon keine Rede mehr. Adrian testet sich als Dienstleister und nimmt Aufträge von Unternehmen an, versucht den MMC Studios Aufträge zu beschaffen. Außerdem ist er fortan für Azubis zuständig, denen er das YouTuber-Handwerkszeug näher bringen soll. Adrian holt sich Verstärkung aus seinem Netzwerk und startet zum Beispiel Unicorn TV, mit dem sie ausloten, wie eine Show von Morgen aussehen kann.
Allein: es fehlt die Zeit. Denn Formate müssen sich entwickeln und Kanäle brauchen Zeit eine Community aufzubauen. Adrian soll aber Geld verdienen. Er setzt sich also mit Ingmar Stadelmann zusammen, den er aus dem Radio kennt. Besser: Dessen Stammgast er in seiner Call-In-Sendung ist. Er und Ingmar entwickeln mit einem 4-Mann Team DISS – Die Ingmar Stadelmann Show, holen sich prominente Gäste und produzieren die ersten zwei Piloten. Adrian, Produzent einer Fernsehshow, wird jetzt zum Verkäufer. Spricht mit den Top-Fernsehsendern Deutschlands. Doch die trauen sich nicht eine Show von jemandem zu kaufen, der vorher noch nie eine erfolgreiche Fernsehshow produziert hat. Sie mag intelligent produziert, provokativ und kurzweilig sein. Ohne den Vertriebler Bixschlag und mit einem eher passiven Borbély, eine unlösbare Aufgabe für den mittlerweile 25-Jährigen.
Fazit
Und so war heute Adrians letzter Tag. Es begann mit einem Magic-Media-Moment beim Bewegtbildstammtisch des Medienclusters NRW vor drei Jahren und der Weitsicht eines Mannes, der bei den MMC Studios letztlich nicht zum Zuge kam. Adrian kam mit der Showtreppe und verlässt mit einem reichen Erfahrungsschatz MMC. Ironischerweise, ohne wirklich ein Wrecking Ball gewesen zu sein. Aber das braucht er auch gar nicht. Die Zeit sorgt nämlich gerade dafür, das der Beton bröckelt, wenn zukunftsrelevante Themen nicht weiter entwickelt werden.
Ich wünsche Dir, lieber Adrian, alles Gute. Ich bin sicher, du gehst deinen Weg. Glaube weiter an #Showtreppe, wir glauben an dich <3
Weitere Infos:
Wikipedia: Magic Media Company
Broadmark: MMC Movies eröffnen Unicorn Studios