Es ist 5 Minuten nach Bundestagswahl 2025, es wird noch sortiert. Noch steht keine Bundesregierung. Ich protokolliere hier meine ersten Gedanken. Und ich biete ein Narrativ an, das uns helfen möge, die kommenden vier Jahre zu überstehen und die Demokratie zu stärken. Denn wir bekommen mit einer wachsenden Afd einen hausgemachten Demokratiezerstörer angeliefert.
Beitragsbild: Brauchen wir eine Demokratische Kehrwoche? Ich glaube, die demokratische Kehrwoche sollte standard in jeder Demokratie sein, will sie auf Dauer fresh bleiben und frei von Nazis. (generiert mit Adobe Firefly)
Meine Gedanken kurz nach der Bundestagswahl 2025. Stenografisch und noch voll von Eindrücken und Gefühlen direkt nach den Eregbnissen:
- Die CDU profitierte von der Schwäche der SPD.
- Die SPD verlor zurecht aufgrund eines schwachen Kanzlers, einer zögernden SPD im Ukraine-Krieg und der Entscheidung dem Afd-Verbotsantrag nicht zuzustimmen.
- Die Grünen blieben trotz Beteiligung an dieser Regierung mit leichten Verlusten einigermaßen stabil, was für die Stärke ihres Kanzlerkandidaten spricht.
- Die Afd profitierte hart von der Schwäche beinahe aller Parteien und der Dummheit rechte Narrative zu bedienen und ihnen mediale Aufmerksamkeit zu liefern.
- Die Linke konnte sich von Sarah Wagenknecht befreien und profitiert sehr davon.
- Als kleine „Wins“ kann der Rauswurf der FDP, der Rücktritt von Christian Lindner und ein BSW gelten, das nicht über 5 Prozent kommt.
Narrativ: Demokratie-Hygiene
Als eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Legislaturperiode gilt für mich das Verbotsverfahren der Afd. Denn dass sie 20 Prozent der Stimmen okupiert, bedeutet für die demokratischen Parteien, dass sie es immer schwerer haben, gute Regierungen zu bilden, die nicht nur aus faulen Kompromissen bestehen, oder von Politik-Imitatoren wie der FDP zerstört werden. Und es geht um die Bearbeitung der Ursache der Afd. Das Verbot ist eine unabdingbare Notwendigkeit, wollen wir eine deutsche Demokratie haben, die in Zukunft funktional ist. Nicht gegen die Afd vorzugehen ist meiner Meinung nach ein eklatantes Versäumnis und Pflicht eines jeden Demokraten und jeder demokratischen Partei.
Link: Menschenrechtsinstitut: Voraussetzungen für Verbot der AfD liegen vor
Wir brauchen das Selbstverständnis von Demokratie-Hygiene, also die Methoden und die Kultur, unsere Demokratie zu pflegen und sie von dem zu befreien, von dem wir in unserer Vergangenheit gelernt haben, dass sie in einer Demokratie nichts zu suchen haben. Das ist auf einem bürokratischen Level die Anpassung, Pflege und ggf die Abschaffung überalterter Gesetze und Regelungen (was nicht anti-regulativ bedeutet, sondern modern-regulativ, mit Digitalisierung als Tool). Als auch die aktive Bekämpfung von Systemgegnern wie der Afd. Aus hygienischer Perspektive könnte das so verstanden werden, dass wir unsere Parteienlandschaft für die Wählerschaft vom Unrat unserer deutschen Geschichte bereinigen müssen, damit sie überhaupt ihre Arbeit für uns tun kann. Es ist unfassbar, dass es diese Nazipartei erneut auf 20 Prozent schafft. Das ist ein Zeichen, dass wir schon lange keine Kehrwoche mehr gemacht haben, würde der Schwabe in mir sagen.
Ihr Erstarken kommt aber nicht aus dem leeren Raum. Es gibt Ursachen, denen wir Demokraten uns klar werden müssen. Dass die Narrative der Afd funktionieren, dass Medien zur Manipulation verwendet werden können, und die Bürger:innen nicht in der Lage sind, das zu durchschauen, ist für mich ein klares Zeichen der Abwesenheit von Bildung und Kompetenzen (um nicht zu sagen ein deutliches Zeichen von Dummheit).
Es gehört zur Hygiene dazu, nicht nur dafür zu sorgen, dass Schmutz entfernt wird, sondern auch Schmutz zu vermeiden. Basishygiene, würden Hygieniker sagen. Die Vermeidung übernimmt hier die Bildung. Bildung ist ein großer Begriff und ich verrate schon mal so viel, dass ich damit nicht einfach die Berufsausbildung meine. Es geht darum, dass Menschen in der Lage sind Narrative zu erkennen und sie zu analysieren. Wer ernsthaft glaubt die menschenverachtenden Narrative der Afd wären eine Lösung, hat meiner Meinung nach ein Bildungsproblem. Es geht auch darum die Menschen an der Demokratie partizipieren zu lassen und ihnen dafür die notwendigen Kompetenzen beizubringen. Das alles ist kein Hexenwerk.
Was meine ich also, wenn ich von Demokratie-Hygiene spreche? Die Bereinigung aktueller Verschmutzungen im System als auch die Kompetenzen der Bürger es gar nicht erst zur Verschmutzung kommen zu lassen. Wir müssen diesen Aspekt zum Standard in unserer deutschen Demokratie machen. Übrigens ein Problem, dass wir in den USA ganz genauso sehen, nur um ein Vielfaches stärker.
Alternativer Vorschlag für jene, die den Begriff Hygiene zu krass finden: Demokratie-Pflege.
Demokratie-Hygiene halte ich für eine gute Sache, die Hoffnung machen kann. Wie so vieles ist Hygiene nicht etwas, was man einmal macht, und dann ist alles gut. Es muss kultiviert und je nach Situation angepasst werden. Demokratie-Hygiene ist machbar, erlernbar, und wesentlich umsetzbarer als die Tech-Distopien aus dem Silicon Valley.
Nachtrag, 14:57 Uhr. Was hier in diesem Text nicht steht, was trotzdem getan muss und der Demokratie-Hygiene nicht widerspricht: Dass Menschen wieder bezahlbaren Wohnraum bekommen, dass wir etwas gegen die steigende Obdachlosigkeit tun, usw.
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