Unsere Demokratie soll eine Zukunft haben: Über Medien

Fast 100% ihrer Online-Zeit verbringen deutsche Nutzer:innen auf amerikanischen Webseiten (Quelle), oder auf TikTok. Und dort lassen sie sich ordentlich manipulieren, wie sich am Wahlerfolg der neuen Nazi-Partei Afd erkennen lässt. Gleichzeitig schwindet Jahr für Jahr die Bedeutung klassischer Medien. Derweil wird der Bond-Bösewicht Eliot Carver in Gestalt von Elon Musk Realität und verhilft einem verurteilen Vergewaltiger, einem Lügner und Faschisten zur amerikanischen Präsidentschaft, weil dieser Straftaten Musks durch ein Veto aufheben und direkt Einfluss auf die Regulierung nehmen kann. Die Informationsgesellschaft kollabiert: Demokratien sehen sich einer existentiellen Bedrohung gegenüber. Und Innovationsapologethen verhindern im Namen der Zukunftsfähigkeit notwendige Umstellungen. Wir müssen reden.


Eine Krise jagt die nächste, und als Demokrat kann man sich heute schon fragen, ob die Demokratie das Jahrhundert überstehen wird.

Elon Musk hat nicht die mondäne, selbstsichere Ausstrahlung eines Eliot Carver. Dafür aber dessen Satelittensystem. Und während der Bond-Antagonist aus „Der Morgen stirbt nie“ noch mit einem TV-Netzwerk und Röhrenonitoren Regierungen stürzte, steckt Musk potentiell in jeder Hosentasche. Mit Twitter hat er für 45 Milliarden US-Dollar eine Meinungsmanipulationsmaschine gekauft und es zu X gemacht, auf dem sich selbst deutsche Kanzlerkandidaten wieder neu einfinden. Und mit seinem Satelittennetzwerk Starlink versucht er den ukrainischen Krieg zu beeinflussen.

Dass Musk eine wichtige Rolle auf den amerikanischen Wahlkampf hatte, ist unbestreitbar. Zumal es dort um das Mediensystem noch schlimmer steht als in Deutschland, wo wir mit den Öffentlich-Rechtlichen eine gesetzlich-garantierten Demokratie-Verteidiger haben. Hierzulande wäre es meiner Meinung nach übrigens angebracht, dass die Kolleg:innen ihrer Rolle als Demokratie-Aktivisten gerecht werden. Bei der Rundfunkreform bekleckern wir uns derweil nicht mit Ruhm.

Linktipp: Diesen Einfluss hatten Podcasts auf den amerikanischen Wahlkampf

Wie groß der Einfluss Musks wirklich war, lässt sich schwer beziffern. Und doch ist dessen Einfluss unbestreitbar zu hoch. Zuletzt direkt auf deutsche Politiker, die die Rhetorik des Musk-Trump-Duos direkt übernehmen. Die Schlammschlacht hat begonnen. Warum sich noch an Regeln halten, wenn man so auch an die Macht kommen kann?

Mark: Der neue Good-Guy

Man muss nicht wie ein Bösewicht wirken, um eine Bedrohung zu sein: Ein voller Lockenschopf, Goldkettchen und eine Kameraführung wie vom Praktikanten: Wie Mark Zuckerberg sich im letzten Jahr gezeigt hat, ist ein PR-Lehrstück. Der einstige Silicon-Valley Nerd, der eher an einen gefühlslosen Androiden erinnerte (die Amis sagen Lizard), ist heute der lockere Surfer-Boy, der oben ohne auf einem Wakeboard die amerikanische Fahne schwenkt.

Seine Entspannung geht mittlerweile so weit, dass er meint, sich nicht mehr für die Konsequenzen seiner Produkte entschuldigen zu müssen. Erst kürzlich gestand Zuckerberg in einem Podcast, dass es ein Fehler gewesen sei, sich für den Datenskandal Cambridge Analytica entschuldigt zu haben. Die Datenanalyse-Firma saugte Millionen Datensätze ab, um damit, man könnte es besser nicht für Hollywood schreiben, den Wahlkampf zu beeinflussen. So gewann Trump zum ersten Mal.

Was heute im Maschinenraum von Meta los ist, lässt sich von keiner Regulierungsbehörde der Welt durchschauen. Zu groß der Maschinenraum, zu klein die Teams, die sich darum kümmern sollten. Es werden Symptome behandelt, um den Schein zu wahren. Das eingerichtete Kontrollgremium „Oversight Board“ ist ein Feigenblatt.

Threads überholt bald den Einfluss Twitters. In der Zwischenzeit wird auch algorithmisch so getan, als sei man völlig ungefährlich: Politischer Content werde nun nicht mehr algorithmisch verstärkt. Welche Auswirkungen das tatsächlich hat, wissen wir nicht. Es könnte durchaus sein, dass politischer Content gar nicht verstärkt werden muss, um dennoch seine Wirkung zu entfalten. Das wäre dann erneut ein Feigenblatt.

Droid Boy: Meine Pizza ist politisch: Wie Metas Politik-Algorithmus durchdreht

Wir können nicht mehr so tun als wäre alles OK

Was wir nicht mehr tun können: So tun, als wäre das alles OK. Als wäre es OK, dass wir keine Ahnung haben, wie ein paar wenige Konzerne und Netzwerke quasi komplett unsere Kommunikation übernehmen. Sie haben die traditionellen Medien längst in ihrer Nutzungszeit abgelöst und verhindern damit mehr und mehr eine für die Demokratie informierte Meinungsbildung. Ich bin ja mittlerweile so weit, dass ich davon ausgehe, dass Netzwerke grundsätzlich Meinung manipulieren. Ich kehre die Beweispflicht um, da ihre Macht zu groß ist. Es ist naiv zu glauben, sie täten es nicht. Es ist an der Zeit, dass sie uns beweisen, dass das nicht so ist.

Es muss etwas getan werden. Doch das, was getan werden muss, klingt nach etwas, gegen das selbst lobbyiert wird. Regulierung ist quasi der deutsche Endgegner. Das Narrativ: Regulierung ist bürokratisch und verhindert Innovation. Bürokratie haben wir zu viel, Innovation zu wenig. Daraus folgt: Regulierung ist schlecht.

Regulierung ist aber ein politisches Gestaltungswerkzeug. Ohne Regulierung wäre unsere Gesellschaft erst gar nicht möglich: Vom Trinkwasser in unseren Hähnen, bis hin zur Luft die wir Atmen: erst Regulierung macht es möglich, dass wir den Lebensstandart haben, den wir haben. Unser Energieproblem wäre noch höher, würden wir nicht auf EU-Ebene regulieren, wie viel Energie das Bügeleisen bis zum Kühlschrank verbrauchen darf. Aber Regulierung muss clever gemacht sein, und wie jedes Gesetz ständig angepasst werden.

Unter dem Deckmantel der Innovation und des Fortschritts lobbyieren also Branchenverbände und andere Apologethen gegen jede Art von Regulierung, die diese Vormachtstellung angreifen würde. Mit dem Argument, dass es dann der eigenen Wirtschaft unmöglich gemacht würde, überhaupt erfolgreich zu sein. Dass es schon seit Jahrzehnten unmöglich ist, sich global zu behaupten, liegt dabei vor allem an der Abwesenheit von Regulierung. Den so haben es Google und Co ja geschafft diese Position zu erreichen. Wer also ins Anti-Regulierungshorn bläst, spielt das Lied von BigTech. In der Zwischenzeit reibt sich BigTech die Hände und festigt mit dem Hype um generative KI ihre Vormachtstellung.

Was wir tun können

Wir sind aber nicht machtlos. Selbst amerikanische Regulierungsbehörden haben das erkannt und stoßen einen mehrere Jahre dauernden Prozess zur Zerschlagung von Googles Monopolen an.

Und wie verhält es sich mit den Medien, ist da noch was zu retten? Dazu veranstalte ich mit dem Team eine Bloggerkonferenz. Von „Wie man 2024 einen Blog führt“ über „Warum wir die digitalen Netzwerke heute neu denken müssen“ bis hin zu „BigTech muss weg!“ bieten wir ein Forum für das neue Netz, um gemeinsam neue Narrative zu entwickeln.

Gestaltet es mit, denn ihr seid wichtig, und ihr seid herzlich eingeladen! 🙂

Mini Online-BarCamp „Zukunft Bloggen!?“

Wann: 29. November 2024, von 9 bis 12 Uhr
Wo: Online, auf Zoom und im Forum
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