Wir haben Stream

Gestern noch schrieb ich wenig euphorisch vom kastrierten Stream. Heute ist von Euphorie noch immer keine Spur. Doch nach dem ersten Mal „RatsTV“ fällt es wie Schuppen von den Augen: Wir haben einen Stream aus dem Kölner Rat! Und einen begrüßenswerten Nebeneffekt hatte das erste Mal auch: Der Kölner Stadtanzeiger und die Stadtrevue zeigten ihre Livestream-Kommentier-Qualitäten.

ratsTV

Ziemlich genau eine Stunde vor dem Beginn des ersten Livestreams aus der Sitzung des Rates am 17. Dezember, also um 13 Uhr, war bereits etwas zu sehen: Eine separate Seite, die etwas spärlich wirkte, aber auf der alles zu sehen war, was man brauchte: Ein eingebettetes Video in dem bereits eine Ankündigung zu sehen war, das es um 14 Uhr losgeht. Darunter drei Knöpfe: einen für Android-Nutzer, HD und SD und darunter ein Link zum Programm.

Um 14 Uhr ging es dann allerdings nicht direkt los, sondern mit wenigen Minuten Verspätung, was vermutlich nichts mit dem Stream, sondern mit dem verzögerten Beginn der Ratssitzung zu tun haben könnte. Selbst als der Stream dann loszugingen schien, hatten ein paar wenige noch erste Probleme, was aber nur Einzelfälle aufgrund Firewall-Foo waren.

Transparenz von Vorgängen und Abläufen -weltweit!

Kaum lief der Stream, da hatte sich der erste und wichtigste Zweck erfüllt: Man sah (in ordentlicher Videoqualität), wie das im Rat so läuft, welche Sprache gesprochen wird (und das sehr gut verständlich), und wie der Ablauf ist. Das sorgte für Überraschung und für den einen oder anderen Tweet.

 

 

Eines der wichtigsten Gremien Kölns arbeitete bisher immer irgendwie wie auf einem anderen Planeten. Klar konnte man sich auch reinsetzen, wenn es sich um eine öffentliche Sitzung handelte, doch wirklich angetan hatten sich das bislang die Wenigsten. Einmal in den Stream zu schauen, ist heutzutage mit der recht guten Verfügbarkeit des Internets eine Leichtigkeit. Das den Ratsherren aber durchaus klar war, das sie jetzt zu sehen waren, demonstrierte ein Redner, der nicht ans Rednerpult gehen wollte:

Wir wollen es nicht übertreiben, auch wenn es weltweit übertragen wird.

Genau, mitten in dieses Internet rein. Bleibt zu hoffen, das durch den Kontakt mit der Außenwelt, die Kalauerquote und die kindischen Zanereien abnehmen. Eine Umfrage des Kölner Stadtanzeigers im Juni erwähnte die Hoffnung, durch den Stream so etwas wie eine öffentliche Debattenkultur zu bekommen, was die Politikverdrossenheit beseitigen könnte. Ich glaube nicht, das wir soweit schon sind, zumal eher ein Schock über den eigentlichen Zustand der aktuellen Debattenkultur einsetzen dürfte.

Streaming bedeutet nicht nur zu streamen

Die Kritik, die ich zu Anfang formulierte, bezog sich darauf, das man meinte, einen Stream zu haben, würde reichen. Meine Erfahrungen mit dem Streaming – und das konnte mir auch während des Streamcamps im Startplatz von Kollegen bestätigt werden – ist, das es nicht damit getan ist, den Stream einzuschalten und wenn das Event vorbei ist, ihn wieder abzuschalten. Es ist elementar aufzuzeichnen und es in bearbeiteter Version erneut zu publizieren. Möglichst getaggt, verlinkt, und geschnitten und zwar in kleine bekömmliche Häppchen. In unserem Beispiel wären das die Tagesordnungspunkte. Das bedeutet Arbeit. Und es stellt sich auch die Frage, ob das wirklich für jeden der über 100 Tagesordnungspunkte Sinn macht.

Aber das Problem könnte man dadurch umgehen, indem die Stadt Köln das Video am Stück unter einer offenen und für jeden verfügbaren Lizenz publiziert und die Medien sich das herauspicken, von dem sie denken, das es für ihre Nutzer interessant sein könnte. Immerhin ist das ihre Aufgabe.
Bezahlt haben wir das Material mit unseren Steuern ja schon.

Streaming bedeutet also nicht einfach nur ins lehre zu streamen, sondern immer auch das Material später zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. Denn darin besteht ein weiterer und der längerfristigere Sinn:  Information, Interpretation und Einordnung durch die Medien und dann letztlich einsetzende gesellschaftliche Dynamiken, die vielleicht dazu führen können, das Politik wirklich transparenter und die Politikverdrossenheit weniger wird. Wenn wir einfach mal von der besten aller Welten ausgehen.

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Im Voraus nicht angekündigt: Die Infospalte rechts. Bauchbinden gab es auch, wurden allerdings viel zu kurz eingeblendet.

Die Überraschung des Tages

War der Kölner Stadtanzeiger, der gewohnt euphemistisch „Mehr Bürgerbeteiligung in Köln“ titelte und dabei einen soliden und unterhaltsamen Liveticker anbot. Dieser war ausführlich und die Redakteure hielten immerhin bis 19:05 Uhr durch. Sportlicher war da die Redaktion der Stadtrevue, die sich ein Carepacket aus Kirschglühwein, Plätzchen und warmem belgischem Bier zurecht gelegt hatten und immerhin bis 19:41 Uhr durchhielten. Ihr Ticker war zwar weniger informativ und ausführlich, dafür aber um so unterhaltsamer und brachten in die dröge Veranstaltung eine Wagenladung an Lachern ein.

Für mich war die größte Überraschung wie gut die beiden Medien tickerten. Davon gerne viel mehr und gerne auch bis zum Schluss. Wenn es für eine einzelne Redaktion zu viel ist, was ich durchaus verstehen kann, dann wäre eine Kolaboration und ein Schicht-System zu empfehlen. Es beginnt der Stadtanzeiger, wenn die Ratsmitglieder noch frisch und die Reden noch gehaltvoll sind und schließt die Stadtrevue mit spitzer Zunge. Wunderbar!

Der Kölner Stadtanzeiger kommentiert den ersten Stream und kritisiert den Namen, da es sich aufgrund des Formats gar nicht um TV handeln könne. Recht hat der Kommentar damit, das es eigentlich üblich ist den gesamten Saal zu zeigen. Hier kann man nur hoffen, das durch das Streaming Befürchtungen abgebaut und eine zusätzliche Kameraperspektive eingerichtet wird. Warum eine zusätzliche Kameraperspektive den Stream zum TV machen würde, wird aber nicht erklärt. Und eigentlich ist der Name wurscht, wenn die Inhalte später abrufbar und verwertbar gemacht würden.

Update (19.12.2013 / 09:19 Uhr)
Man darf bei alledem nicht die Fleißarbeiter von report-k.de vergessen, die ebenso unter „Kölner Rat: Städtische Finanzen – Schulsozialarbeit – Livestream“ ein Protokoll angefertigt haben.

 

Und was ist mit den Inhalten?

Zunächst dürfen wir uns freuen: Wir haben einen Stream. Wenn wir uns dann alle berappelt haben, kann es dann auch mal an die Inhalte gehen. Der Kölner Stadtanzeiger hat damit schon angefangen und ein paar Artikel zu Beschlüssen der Sitzung geschrieben (was er sonst ja auch immer tut – diesmal vielleicht etwas mehr?). Unfassbar war für mich ja das Verhalten der Rechten im Rat zu sehen, und mit welchen durchschaubaren Methoden sie versuchten ein Störer zu sein. Diesbezüglich bleibt zu hoffen, das sich das längerfristig von selbst erledigt. Gut wäre es, wenn durch die Verfügbarkeit des Videomaterials Textausschnitte und Reden nachgeschaut werden könnten. Denn es geht vieles verloren, wenn die Medien mit ihren beschränkten Mitteln nur das abdecken, von dem sie sich auch einen gewissen Zugriff erhoffen, was für mich durchaus verständlich ist.

Der nächste Stream findet am 11. Februar 2014 statt. Dann geht es in die zweite Runde. Und dann schauen wir mal, ob die Ratsherren schon vergessen haben, das sie online sind.

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