Mit neun Filialen ist kein anderer Coworkingspace in NRW in so vielen Städten gleichzeitig vertreten wie das Work Inn von Dörte und Tim Schabsky. Weitere vier wären in diesem Jahr geplant gewesen. Doch die Corona-Pandemie hat dem agressiven Expansionsvorhaben erst mal einen Riegel vorgeschoben. Wie es dem Coworkinganbieter aus dem Ruhrgebiet geht und wie sie sich mit der Situation arrangieren, habe ich den Co-Founder Tim Schabsky gefragt.
Aktuell recherchiere ich zum Thema Coworking in NRW zu Corona-Zeiten. Dazu habe ich über 30 Anfragen an Spaces veschickt, die nun Stück für Stück beantwortet werden. Manche davon eignen sich für größere Interviews. Andere liefern einfach nur wertvolle Informationen für meinen zusammenfassenden Artikel, der später herauskommen wird.
Bereits in der vergangenen Woche habe ich ein Interview mit dem CMO der Unicorn Workspaces Benjamin Nick veröffentlicht.
Das Interview
Droid Boy: Zunächst mal zu den Fakten. Ihr seid in den letzten Jahren sehr stark gewachsen. Wie viele Filialen habt ihr mittlerweile? Wieviel Coworker beherbergt ihr auf wie vielen Quadratmetern? Wie viele Mitarbeiter beschäftigt ihr?
Tim Schabsky: Work Inn betreibt aktuell neun Coworking Spaces in sechs unterschiedlichen Städten im Ruhrgebiet. Unser Team besteht aus zwei Gründern und sieben Mitarbeitern, drei davon in Vollzeit. Dieses Team kümmert sich um eine Community von circa 400 Coworkern. Wir sind also sehr schlank aufgestellt.
Droid Boy: Ihr seid in den letzten Jahren in NRW zum Coworking-Anbieter mit den meisten Filialen geworden. Wie habt ihr das hinbekommen? Und was waren eure Pläne vor der Corona-Pandemie?
Tim Schabsky: Wir haben Work Inn Ende 2013 gegründet. Für NRW und insbesondere für das Ruhrgebiet waren wir damit beim Thema Coworking verhältnismäßig früh dran. Die ersten beiden Jahre waren auch entsprechend schwierig, da das Konzept vor Ort wenig bekannt war. Wir haben sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet. Wichtig war, dass wir uns von vielen Rückschlägen nicht haben entmutigen lassen. Als Coworking auch hier plötzlich ein Trend wurde, konnten wir als einziger Anbieter eine echte Community und eine gewisse Markenbekanntheit aufweisen. Vor Corona wollten wir noch mindestens vier weitere Standorte im Ruhrgebiet in 2020 eröffnen und drei weitere Mitarbeiter einstellen.
Droid Boy: Wie hat sich Corona jetzt auf eure Pläne ausgewirkt?
Tim Schabsky: Natürlich ist die allgemeine Verunsicherung aktuell sehr hoch. Das wirkt sich auch auf uns aus. Wir sind allerdings fest davon überzeugt, dass Coworking mittelfristig zu den großen Gewinnern der Krise gehören wird. Daher liegen unsere Pläne zwar aktuell auf Eis, jedoch hat sich grundsätzlich nichts an unserer Wachstumsorientierung geändert. Ziel ist es weiterhin die deutschlandweit größte Coworking Community außerhalb Berlins aufzubauen.
Droid Boy: Wie macht sich die Corona-Krise im Arbeitsalltag in euren Spaces bemerkbar?
Tim Schabsky: Für uns als Team halten sich die Konsequenzen tatsächlich in Grenzen. Wir haben schon vor der Krise sehr dezentral gearbeitet, sodass es für unsere Mitarbeiter zu keinen grundsätzlichen Änderungen gekommen ist. Für meine Frau und mich persönlich ist die Situation schon eine Herausforderung, da meine Frau und ich Work Inn gemeinsam führen und wir zwei kleine Kinder haben. Die Coworker verhalten sich sehr verantwortungsbewusst, viele bleiben nach Möglichkeit zuhause. Es ist also vor Ort ungewöhnlich ruhig. Das ist jedoch in der aktuellen Situation auch wünschenswert.
Droid Boy: Habt ihr geöffnet? Wenn ja, wie stellt sich das dar? Gibt es neue Regeln?
Tim Schabsky: Alle Work-Inn-Standorte haben geöffnet. Selbstverständlich haben wir Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Desinfizieren ergriffen. Zudem können Besprechungsräume nicht mehr von externen Kunden gebucht werden, die offenen Arbeitsräume wurden ausgedünnt, gegebenenfalls freie Büros können entgeltfrei von Coworkern genutzt werden. Alcoven stehen nur noch einzelnen Personen zur Verfügung. In den Küchen- und Bar-Bereichen haben wir Abstandsmarkierungen eingeführt. Neben der ethischen und moralischen Verpflichtung ist klar, dass ein professioneller Umgang mit Sicherheitsvorkehrungen in den kommenden Monaten ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein wird.
Droid Boy: Wie wichtig sind Events in eurem Geschäftsmodell?
Tim Schabsky: Zum Glück hatten wir den Eventbereich immer etwas vernachlässigt. Unser Fokus war und ist der Aufbau einer starken, dynamischen Community. Events sind da immer nur Mittel zum Zweck gewesen. Als Ertragsquelle spielt die Vermietung von Eventräumen für uns eine untergeordnete Rolle. Externe Raumbuchungen haben 2019 circa fünf Prozent unseres Umsatzes ausgemacht.
Droid Boy: Wie lange haltet ihr das noch durch?
Tim Schabsky: Die Situation ist ernst, keine Frage. Januar und Februar 2020 waren für uns absolute Rekordmonate aber nun befinden wir uns plötzlich in einem ganz anderen Umfeld. Die entscheidenden Fragen für uns sind zum einen wie stabil unsere Community während dieser Krise bleibt und zum anderen wann und wie das Neugeschäft wieder auflebt. Bezüglich der Community bin ich sehr optimistisch. Wir hatten zum 31.3 allen Coworkern, die keine eigenen Büros nutzen, freigestellt ihre Verträge außerordentlich zu kündigen. Es sind nur drei Kündigungen eingegangen.
Droid Boy: Habt ihr Hilfe von Staat, Land oder Stadt bekommen? Wie sieht es mit Kurzarbeit aus?
Tim Schabsky: Stand heute haben wir keine Hilfen beantragt, was jedoch nicht bedeutet, dass entsprechende Anträge in Zukunft keine Option sind. Panikreaktionen sind hier wenig hilfreich. Gemeinsam mit Investoren, unserer Hausbank und unseren Vermietern sind wir dabei die Finanzierungsstruktur so anzupassen, dass wir alle gemeinsam durch die kommenden schweren Monate gelangen und die Chancen der Post-Corona-Welt gemeinsam realisieren können.
Droid Boy: Habt ihr eigene Möglichkeiten entwickelt, damit Mieter oder andere Leute euch zum Beispiel durch Gutscheine unterstützen können? Wenn ja, welche?
Tim Schabsky: Ich denke, dies ist falsch gedacht. Die Frage ist nicht wie die Mitglieder uns helfen können – das ist ganz einfach, indem sie Mitglieder bleiben – sondern was wir für unsere Community tun können.
Droid Boy: Und was bietet ihr den Mitgliedern an, damit sie bleiben können?
Tim Schabsky: Unser Anspruch ist es gemeinsam mit den Coworkern diese besondere Situation zu meistern. Stehen Coworker vor akuten finanziellen Problemen, sind wir im Rahmen der kaufmännischen Vernunft immer bereit unseren Beitrag zur Bewältigung der Herausforderung zu leisten. Die meisten unserer Kunden haben sich sehr zufrieden mit den vereinbarten Lösungen gezeigt. Ansonsten helfen wir an vielen Stellen: Auf unserem Blog veröffentlichen wir Interviews mit unseren Coworkern, welche wir auf Social Media puschen. Das schafft Sichtbarkeit innerhalb und außerhalb der Community sowie einen guten Backlink. Zudem sammeln wir Sonder- und Hilfsangebote die unsere Coworker selbst in Zeiten von Corona aufgesetzt haben. Nicht unterschätzen sollte man in diesen Zeiten auch die Bedeutung des Community-Managements. Neben wertvollen Updates zu Corona-Hilfen auf unseren internen Kanälen, organisieren wir Online-Meetings für die Coworker. Der gegenseitige menschliche und fachliche Austausch ist besonders jetzt wichtig. Auch die FuckUpNight haben wir digital durchgeführt.
Droid Boy: Vielen Dank für das Interview!
Weiterführende Links
Webseite: Work Inn
Übersicht: Coworking in NRW
Droid Boy: Unicorn Coworking in der Corona-Krise: “Wir liefern Bürotische zu unseren Kunden nach Hause”
Dieses Interview wurde per Mail geführt und am 20. April 2020 beantwortet.
Soweit nicht anders angegeben gilt für alle Fotos in diesem Artikel: © Work Inn GmbH & Co.KG
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